Buchempfehlungen: mein Lesejahr 2023 (Teil I)

Buchempfehlungen: mein Lesejahr 2023 (Teil I)

Das erste Halbjahr von 2023 habe ich wieder ein paar bezaubernde Bücher gefunden, die ich gerne hier teilen und empfehlen möchte. Ich suche meine Bücher sehr intuitiv und zufällig aus, das heißt, dass ein paar sicher schon älter sind und sie wahllos zusammengewürfelt wirken. Ich lese eben immer das, worauf ich gerade Lust habe oder was ich zufällig finde. Auch die Reihenfolge ist rein chronologisch und sagt nichts darüber aus, was mir am besten gefallen hat. Meine Listen mit Buchzitaten sind zunehmend länger geworden seit meinem ersten Beitrag mit Buchempfehlungen. Mögen sie dich genauso inspirieren wie mich – ob für dein eigenes Leben oder (wie in meinem Fall) fürs eigene Schreiben.

„Fräulein Draußen. Wie ich unterwegs das Große in den kleinen Dingen fand“ von Kathrin Heckmann

Buchempfehlungen 2023

Draußensein können wir überall. Ich sehne mich natürlich auch am ehesten nach wilder, unberührter Natur, aber Fräulein Draußen erinnert in ihrem wunderbaren Buch daran, dass wir nicht weit reisen müssen, um Natur zu erleben. Wir können – aber wir müssen nicht, denn viele kleine Wunder gibt es auch vor unserer Haustür zu entdecken.

Trotzdem finden sich in dem Buch Empfehlungen für Wanderungen (überall auf der Welt) und viele kleine Anekdoten von Erlebnissen beim Wandern. Für mich ein sehr inspirierendes Buch (wie man an der Vielzahl notierter Zitate erkennen kann).

Zitate:

„Dass man sich im Leben verläuft, kann mindestens genauso leicht passieren. Es ist, wie beim Wandern, im Grunde unumgänglich. Manchmal verliert sich der Weg, auf dem man gerade noch lebte, einfach im Nichts, manchmal kann man ihn einfach nicht mehr erkennen, manchmal stellt man vielleicht auch fest, dass dieser Weg niemals ein Weg war, sondern nur ein Trampelpfad, dem man gefolgt ist, weil es einfacher war.“ 

„Island ist ein Land, das sein Innerstes nach außen kehrt. Rohe, gewaltige, ungezähmte Natur bedeckt jeden einzelnen Zentimeter der Insel.“ 

„Ich folgte einer künstlich angelegten Spur in der Landschaft, einfach nur weil sie da war, weil sie der offensichtlichste und einfachste Weg war, auf dem man nicht darüber nachdenken musste, wohin man seinen Fuß als Nächstes setzte.“

„Wandern ganz ohne Hintergedanken, ohne Sinn oder Richtung. Wandern, um zu wandern. Ein Schritt vor den anderen, ohne Warum und Wieso. Und mit einem Mal war es plötzlich schön, keinen Weg zu haben, nicht so genau zu wissen, wo ich war, wohin ich ging und aus welchem Grund.“ 

„Weil mich nichts mehr daran erinnert, wie oder wer ich bin, und ich deswegen sein kann, wie und wer ich sein will. Wenn meine eigene Menschlichkeit zwar nicht verschwindet, aber in den Hintergrund rückt und Platz macht für das, von dem wir alle ein Teil sind und das noch viel zu oft von uns verdrängt wird.“ 

„Große graue Fläche traf auf große graue Fläche, verbunden durch eine schüchterne Linie namens Horizont. Und irgendwo am Rand der Szenerie war ich, so grau wie alles andere und ebenfalls kaum vom Rest meiner Umgebung zu unterscheiden.“ 

„Für ein paar quälende Sekunden lang wusste ich nicht, wo ich war, was ich dort tat und vor allem wer mich so anschrie und warum. Manchmal gewann der aufs Zelt prasselnde Regen die Oberhand, meistens jedoch hörte ich ihn gar nicht. Ich hörte nur meine Gedanken. Diese waren wahnsinnig laut und sagten mir, dass ich nicht hier sein wollte.“ 

„Was uns von unseren Abenteuern abhält, ist meistens keine Angst vor realer Bedrohung, sondern die Angst vor dem Unbekannten. Dennoch kann diese Angst sich sehr real anfühlen. Das Gute ist jedoch, dass sie nicht bleiben muss.“ 

„Gedanken wie diese waren manchmal eine stundenfüllende Aktivität in meinem Kopf gewesen und hatten sich schier endlos im Kreis gedreht, wenn ich den Absprung nicht geschafft hatte oder so vertieft in das Denken gewesen war, dass ich überhaupt nicht auf die Idee gekommen war abzuspringen.“

„Als ich zum Start meiner Wanderung zum ersten Mal seit meiner Kindheit die vorderste Dünenreihe durchquerte und die Nordsee sah, konnte ich nicht anders, als mich an Ort und Stelle in den Sand fallen zu lassen, die Augen zu schließen und einfach nur tief einzuatmen – still hoffend, nie wieder ausatmen zu müssen, damit der Salzgeruch für immer in meiner Nase blieb.“

„Je stärker die Elemente um mich tosen, desto stärker fühle ich mich selbst, denn ich werde unweigerlich ein Teil von ihnen, nehme ihre Kraft, ihre Kompromisslosigkeit in mir auf, und dort bleibt sie, auch nachdem der Sturm wieder nachgelassen hat.“ 

„Wenn ich mit dem allerersten Licht des Tages aufwachte, und damit meine ich nicht die ersten hellgelben Strahlen der Sonne zwischen den Bäumen, sondern den Moment, wenn die Nacht plötzlich nicht mehr schwarz ist, sondern blau, und die Bäume damit wieder mehr als nur dunkle Schatten.“ 

„Eine fremde Umgebung war zu meinem Zuhause geworden, ich hatte sie mir allein durch Hinhören, Hinsehen und Hinfühlen  erschlossen. Und die vermeintliche Monotonie hatte das überhaupt erst möglich gemacht, hatte mir die innere und äußere Ruhe dafür gegeben.“ 

„Obwohl ich in gewisser Weise deutlich weniger sah als noch zuvor, sah ich gleichzeitig sehr viel mehr. Meine Welt war wieder zu all dem geworden, was mich umgab, und nicht mehr reduziert auf das wenige, das ich im Lichtschein sehen konnte.“ 

„Ganz ähnlich wie die Motten werden auch wir Menschen wie magisch vom Licht angezogen. Licht bedeutet für uns Sicherheit, Behaglichkeit, und deshalb sind Lampen und Licht einfach überall, egal ob wir sie wirklich benötigen oder nicht.“ 

„Genauso wie die Dunkelheit weit mehr ist als nur die Abwesenheit von Licht, ein eigenes Element, ein Zustand. Und genauso wie echte, natürliche Dunkelheit in der Nacht ist auch die Stille zu einem raren Gut geworden.“ 

Buchempfehlungen 2023

„Ich lag ganz still auf der weißen Erde, hielt fast schon automatisch meinen vom Aufstieg gesteigerten Atem so flach wie möglich. In diesem Moment hätte ich alles hören können – doch ich hörte nichts. Die Natur verhielt sich ganz still, Menschen waren weit entfernt…oder hörte ich doch etwas?“

„Ich hatte Stille vor allem dann gefunden, wenn ich aufgehört hatte, nach ihr oder nach irgendetwas zu suchen. Wenn ich völlig im Moment gewesen war, alles um mich herum vergessen hatte und doch gleichzeitig völlig präsent gewesen war, die Welt gleichermaßen ausgeschlossen und mich ihr geöffnet hatte. Stille war, wenn ich wusste, dass ich in diesem Moment ganz genau dort sein wollte und sollte, wo ich war. Wenn mein Herz ruhig war und gleichzeitig brannte.“

„Die Ruhe, nach der ich mich vor allem in hektischen Zeiten gesehnt habe, wie es wohl jeder von uns tut, trat nicht ein. Die Stille, die ich suchte, war die Stille in mir selbst, und um die zu finden, musste ich nach draußen gehen.“ 

„Dort, wo Chile und Argentinien in einem schmalen Streifen zusammenlaufen und in Feuerland enden. Denn da gibt’s noch mehr. Da gibt es das große Nichts, die Leere, die Weite, die eigentlich gar nicht existierte, weil ein Nichts eben nichts ist und für mich doch manchmal alles war.“ 

„Was wir vielleicht alle viel öfter tun sollten, zumindest ab und zu: dorthin gehen, wo unser Herz uns hinführt. Dorthin, wo wir einfach nur sein wollen,  egal wie viel oder wie wenig Sinn das auch ergeben mag. Nicht fürs Fotoalbum, nicht für Instagram, nicht um anderen davon zu erzählen. Sondern für uns selbst.“ 

„Es war ein Lied von der Sehnsucht nach Aufbruch und Reise, genauso wie dem Streben nach Innehalten und Ankommen. Es war ein ganz persönliches Lied, gesungen von den Kranichen, die hoch über meinem Kopf Richtung Süden zogen.“ 

„Manchmal muss man einfach aufhören nachzudenken, vor allem über die Zerstörung der Natur, sonst wird man nicht mehr froh, und beim Wandern erst recht nicht. Also freute ich mich über die vorhandenen Farbtupfer entlang meines Weges und über die Falter und Bienen, die sich ebenfalls darüber freuten.“ 

„Vielleicht war es endlich an der Zeit, mein Verständnis von Wildnis neu zu definieren, seine Grenzen weiterzudenken. (…) Wildnis war überall, Natur war überall. Ich hatte sie nur nicht gesehen, weil ich nicht gelernt hatte hinzusehen.“ 

„Doch in genau dieser Einfachheit lag für mich der Zauber. Einfach draußen sein, einfach gehen, einfach beobachten. Und dabei zusehen, wie jeder Stein, jeder Busch langsam zu einem Vertrauten wurde.“ 

„Manchmal musste ich die Schönheit und das Glück suchen, obwohl ich mich eigentlich mittendrin befand, und oft konnte ich dieses Glück kaum ertragen, weil es so überaus schön war. Ich hatte dieses Glück überall gefunden. Im Großen und im Kleinen, im Fernen und im Nahen. (…) Ein Glück, das nichts damit zutun hatte, wo genau ich mich befand – solange ich draußen war.“

„Meine wundervolle Buchhandlung“ von Petra Hartlieb

Buchempfehlungen 2023

Dieses Buch habe ich vor allem wegen des niedlichen Covers gekauft und weil es die Idylle einer eigenen, gemütlichen Buchhandlung verspricht. Schon nach wenigen Seiten war klar: Die Autorin schreibt keineswegs idyllisch darüber, wie es ist, eine eigene Buchhandlung zu kaufen und zu führen. Direkt und ehrlich sind ihre vielen Anekdoten und doch steht zwischen den Zeilen eine ungebrochene Liebe zu Büchern, die weiterhin alles zusammenhält.

Zitate:

„Und solche Bücher sind es dann, die einen vergessen lassen, dass man viel zu viel arbeitet und viel zu wenig dabei verdient, denn wir verkaufen das schönste Produkt, das es gibt. Wir verkaufen Geschichten.“ 

„Es ist totenstill. Ziemlich lange. Bis ein Herr aufsteht und sich mit gebrochener Stimme für die Lesung bedankt und eine Dame aus der letzten Reihe einstimmt. Sie bedanken sich bei der Autorin, dafür, dass sie dieses Buch geschrieben hat und dass sie ihnen daraus vorliest!“

„Gespeist von der Bequemlichkeit und Gedankenlosigkeit der Menschen, die mit zwei, drei Klicks ihren Einkaufskorb füllen und ihr Konto leeren, die nicht aus dem Haus gehen oder aus dem Büro, weil sie keine Zeit mehr haben oder sich einbilden, keine Zeit mehr zu haben.“ 

„Wie viele Kunden zumindest ein Buch gekauft haben. Das sind in der letzten Woche vor dem Heiligabend immerhin zwischen fünfhundert und siebenhundert. Ich meine, siebenhundert Menschen auf sechzig Quadratmetern, und von den siebenhundert waren sechshundertneunzig lustig, freundlich und nett. Über die zehn müssen wir bei einem Feierabendbier noch herziehen.“ 

„Paradoxerweise besteht unser Erfolgsrezept darin, den Kunden vorzuspielen, in unseren Läden sei alles wie „früher“. Viele Bücher auf wenig Raum, volle Bücherregale bis unter die Decke, engagiertes Personal, das in seiner Freizeit nichts anderes macht als lesen. So wie früher eben.“

 „Der Salzpfad“ von Raynor Winn

Den zweiten Teil „Wilde Stille“ hatte ich 2022 gelesen und sofort beschlossen, auch den ersten zu lesen. Natürlich wusste ich dadurch bereits, was passieren und wo die Geschichte hinführen wird, doch das ist in diesem Fall kein Problem. Denn diese Bücher liest man nicht, weil die Handlung so actionreich und unvorhersehbar ist. Es geht um die Höhen und Tiefen des Lebens und darum, wie die Natur uns bei all dem aufzufangen vermag. So ist dieses Buch zugleich romantisch und träumerisch, aber legt auch den Finger auf ernste Lebensthemen und in tiefe Wunden unserer Gesellschaft. Große Empfehlung! Und wieder so ein inspirierendes Buch, dass sich einige Zitate angesammelt haben.

Buchempfehlungen 2023

Zitate:

„Aber jetzt hatte man uns ausgesetzt, wir hatten keinen sicheren Hafen mehr, in den wir zurückkehren konnten, trieben auf einem Floß der Verzweiflung durch den Nebel, ohne zu wissen, wo wir ans Ufer kommen würden oder ob es überhaupt ein Ufer gab.“

„Wir waren nicht auf dem Weg zu einem Neuanfang, bei dem uns das Leben mit all seinen Verheißungen offenstand. Die Erde hatte einen Riss bekommen; wir flohen vor dem Riss, hatten uns eine fremde Haut übergestreift. Fuhren einfach davon. Was vor uns lag? Der Weg, nur der Weg.“

„Das Wissen, dass man einen Ort hat, an den man heimkehren kann, gibt einem den Mut, sich auf die Reise zu machen. Es wartet ja eine Tür, hinter der man seinen Koffer fallen lassen kann, selbst wenn man vor genau dieser Tür einst geflüchtet ist.“ 

„‚Haben wir einen Plan?‘ ‚Natürlich. Wir wandern, bis wir aufhören zu wandern, und vielleicht finden wir unterwegs so etwas wie eine Zukunft.‘ ‚Das ist ein guter Plan.'“

„Während wir in dem salzigen Wasser schwebten, fiel alles Schwere von uns ab. Es gab nur noch das Wasser, den Mond und die leise raunenden Silhouetten, mit denen wir das Meer teilten.“ 

„Allmählich begriff ich (…), was Hawker dazu trieb, seine Hütte ausgerechnet an dieser exponierten Stelle zu errichten. Denn wenn er umgeben vom Duft des Ginsters im Schutz seiner Holzhütte saß, zwischen den Felsen, dem Meer und dem Himmel, waren seine Gedanken frei.“ 

„Ein Rhythmus aus Qual und Hunger Schmerz und Durst, bis irgendwann nur noch der Rhythmus des brausenden Meeres  zu spüren war. Während der Wind das Wasser aufwühlte und die Möwen uns den Weg wiesen, schwanden unsere Bedürfnisse.“ 

„Die hohen Wellen, die mit der Flut ans Ufer schlugen, schienen den Horizont zu verengen, als wären wir zwischen Land und Meer eingeklemmt. Eingesperrt und zugleich frei, am Rand und doch Teil von allem. Am Boden zerstört und doch sammelten wir mit dem Fetch neue Kräfte.“ 

Buchempfehlungen 2023

„Was war der Unterschied zwischen den beiden Versionen? Nur ein einziges Wort, aber das war ausschlaggebend: ‚verkauft‘. Wir konnten obdachlos sein, weil wir unser Haus verkauft und das Geld zur Bank gebracht hatten, dann waren wir inspirierend. Oder wir konnten obdachlos sein, weil wir unser Haus verloren hatten und mittellos geworden waren, dann waren wir gesellschaftlich geächtet.“ 

„Ich stand in der Dunkelheit vor dem Zelt und ergab mich den Elementen. Aufgewühlt, gefangen im Rausch des Sturms, Teil eines endlosen molekularen Kreislaufs. Geborgen, grenzenlos, eingesperrt, befreit.“

„Unsere Welt veränderte sich, die Ränder lösten sich auf, unsere Reise versetzte uns zwischen Meer, Himmel und Felsen. Wir wurden eins mit dem wilden Flecken Erde, den wir bewohnten, unser Fetch wurde neu definiert durch den Salzpfad, auf dem wir wandelten.“  

„Die Robben fürchteten sich weder vor Unheil, noch litten sie an Sehnsucht, wahrscheinlich stritten sie sich nur um den besten Platz. Leben und Sterben zwischen Felsen und Meer. Kein Ausdruck einer Emotion, nur ein Echo des Grundrauschens des Lebens.“ 

„Ich holte den Schlafsack aus dem Zelt und wickelte mich darin ein, während im Osten der erste Schimmer des Tages am Horizont erschien und eine Landzunge nach der anderen beleuchtete, bis der Mond verblasste und sich der Nebel aufzulösen begann.“ 

„Die Menschen kämpfen gegen die Elemente, gegen das Wetter, vor allem hier, aber wenn man sich von der Natur hat berühren lassen, sich nicht dagegen wehrt, ist man nie mehr derselbe.“ 

„Hier waren wir frei, zwar den Elementen ausgeliefert, hungrig, erschöpft und durchgefroren, aber frei.“

„Nur eins war real für mich, realer als die Vergangenheit, die wir verloren hatten, und die Zukunft, die noch ungewiss war. Wenn ich einfach einen Fuß vor den anderen setzte, würde mich der Coast Path vorwärts führen. Ein schmaler Streifen Erde, oft nicht breiter als dreißig Zentimeter, war zu meinem Zuhause geworden.“ 

„Ich konnte im Wind stehen und war der Wind, der Regen, das Meer; das alles war ich, und mein Ich war bedeutungslos. Das, was mich im Innersten ausmachte, war nicht verloren gegangen. Durchlässig, flüchtig, aber immer noch da und mit jeder Landzunge stärker werdend.“

„Salzwasser schwappte gegen meine Beine, immer höher, warm und klebrig wie Sirup. Der Schweiß und die Tränen des vergangenen Jahres – Wegmarken des Salzpfades, dem wir gefolgt waren  – hatten uns hierher gezogen, zurück zum Meer, wo wir jedes Sandkorn spüren konnten.“ 

„Wir richteten unseren Blick auf die See, und Wellen der Erleichterung ließen salzige Rinnsale über mein Gesicht laufen. Nachdem wir monatelang im Landesinneren hatten ausharren müssen, an einem Ort ertrunken waren, der uns nicht halten konnte, erfüllte mich die Rückkehr zu diesem unerreichbaren Horizont mit purer Freude.“ 

„Meine Füße fanden zurück zu dem kurzen, windgeschorenen Gras, zur Sonne, zum Wind, zum Salz auf meinen Lippen, zu der Vertrautheit des Unbekannten, zu der magnetischen Kraft des Pfades, die mich weiterzog. Am Ende verstand ich, was die Obdachlosigkeit für mich getan hatte. Sie hatte mir alle materiellen Dinge genommen und mir nur das nackte Leben gelassen, mich in eine leere Seite in einem noch nicht zu Ende geschriebenen Buch verwandelt. Und sie hatte mich vor die Wahl gestellt, diese Seite entweder leer zu lassen oder der Geschichte eine hoffnungsvolle Wendung zu geben.“

 „Drei auf Reisen“ von David Nicholls

Lange ist es her, dass ich bei einem Buch so viel (und so laut) lachen musste. Leicht und humorvoll beschreibt diese Geschichte die Stationen einen langen Ehe, die am Ende ist. Das Thema ist also durchaus ernst, wird aber auf lustige, lebendige Weise erzählt, während sich das Ehepaar mit dem Sohn auf Europareise befindet.

Passend zum Reisethema habe dieses Buch gelesen, als ich selbst mit meinem Van unterwegs war, und kann es nur empfehlen, wenn man eine lustige und gleichzeitig ernsthafte Urlaubslektüre sucht.

Buchempfehlungen 2023

Zitate:

„Nicht von meinem Gesicht jedenfalls, abgesehen von einer hochkontrastigen, extremen Schwarz-Weiß-Aufnahme meines Handrückens, Teil eines Collegeprojekts, das, wie ich später herausfand, den Titel ‚Alter/Zerfall‘ trug.“

„Was wahre, romantische Liebe angeht, so hat es mich ein-, zweimal in meinem Leben richtig erwischt, obwohl in Erinnerungen an Liza Godwin zu schwelgen so ist, als würde sich der Kaptäin der Titanic wehmütig nach dem Eisberg sehnen.“ 

„Ein ‚Schrei nach Hilfe‘ war es kaum, so viel Lärm zu machen, wäre mir unangenehm gewesen. Ein ‚Hüsteln um Hilfe‘, das trifft es eher.“

„Angelo hatte zur Feier des  Tages seinen Mechaniker-Overall gebügelt und sich den Kopf frisch rasiert, und er fuhr sich mit beiden Händen über die Glatze, als er Connies Blick folgte und mich kommen sah.“

„Sie hatte recht, aber ich war zu stolz, um umzukehren und an ihr vorbeizugehen, und erst, als ich mich durch den Schutt gekämpft hatte, von deutschen Schäferhunden verfolgt über Zäune geklettert war und mich hoffnungslos verirrt an eine Leitplanke klammerte, während auf einer doppelspurigen Schnellstraße die LKWs an mir vorbeirasten, wurde mir bewusst, dass unser erster Streit einen weiteren Meilenstein überschattet hatte.“ 

„War das der glücklichste Tag unseres Lebens? Wahrscheinlich nicht, und sei es auch nur, weil wirklich glückliche Tage nicht so viel Organisation erfordern und selten so öffentlich und teuer sind. Die glücklichsten Tage schleichen sich unbemerkt an.“

„Ein Schlauch würde bei lokaler Betäubung in ein Blutgefäß in meinem Oberschenkel eingeführt und, was ziemlich unglaubwürdig klang, den ganzen Weg bis zu meinem Herzen geschoben werden, um die geschädigte Arterie zu weiten,  in die danach ein Stent eingesetzt werde. Ich sah Pfeifenreiniger, Zahnseide und einen auseinandergebogenen Kleiderbügel vor mir.“

„Verbrenn all meine Briefe“ von Alex Schulmann

Buchempfehlungen 2023

Eine packende Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht. Ich finde Psychologie super spannend, deshalb hat mich das Thema dieses Buches gleich angesprochen: die Suche nach den Ursprüngen der eigenen Verhaltensmuster. Ungefühlte und nicht beachtete Emotionen können uns über Jahre beeinflussen und unbewusst an unsere Nachkommen weitergegeben werden, das macht dieser Roman auf eindrückliche Weise deutlich. Darüber hinaus wird auch die Rolle der unterdrückten, doch schweigsamen Frau in den 1930ern dargestellt, was für mich ein weiterer interessanter Aspekt dieses Buches war.

Zitate:

„Ich will die Dunkelheit in mir verstehen, die dabei ist, mein Verhältnis zu meiner Familie zu zerstören. Ich bin auf der Jagd nach meiner Wut.“

„Ich habe in der These von der Wut, die über Generationen vererbt wird, etwas Tröstliches gesehen. Denn dann bin ich nicht selber schuld. Ich brauche nicht so streng mit mir zu sein. Aber hier hat es etwas Unangenehmes, beinahe Schicksalsschwangeres.“

„Sie selbst äußert sich nirgends dazu. Die Herren poltern und toben, lassen sich darüber aus, erzählen ihre Geschichte, Karin Stolpe selbst aber schweigt all die Jahrzehnte hindurch.“ 

„Sie spürt ihren Pulsschlag an drei verschiedenen Stellen. Rein körperlich passiert so viel mit ihr, wenn Sven wütend ist. Es ist, als würde seine Laune sich in sie hineinfressen und sie krankmachen. So ist es immer gewesen.“ 

„Mit der Angst kam eine Erkenntnis, die nicht immer bewusst war: Sie musste sich verändern. Es gibt Dinge in ihrem Verhalten, die Sven nicht gefallen. Und diese Dinge muss sie ausmerzen. Das erste gemeinsame Jahr mit Sven war eine Phase der Anpassung.“ 

„Was tut es im Übrigen zur Sache, was mit uns hier unten geschieht. In hundert Jahren ist von unseren Kämpfen nichts mehr übrig.“ 

„‚Jeder Streit endet damit, dass er mich Hure nennt.‘ Olof schließt die Augen. Dann holt er tief Luft. ‚Ihr müsst euch scheiden lassen. ‚ ‚Das kommt überhaupt nicht infrage. Sven verlässt niemanden, und niemand verlässt Sven. ‚“

„Das Licht ist schwach, Karin sieht alles nur verschwommen, aber als Sven noch einmal in den Rückspiegel schaut, ist sie sich sicher: Sven blickt nicht auf die Straße hinter sich. Er blickt sie scharf an, immer wieder und wieder. Das Ganze scheint ihr beinahe paranormal, sie weiß nicht mehr, was wahr ist und was nicht, was sie wirklich sieht und was Einbildung ist.“ 

„Karin sieht Sven an, der sich im Vordergrund auftürmt und ein letztes Mal sein Manuskript durchgeht, eine Gestalt mit unscharfen Konturen in der körnigen Dämmerung. Und dahinter Olof, in einem Licht, als würde er brennen. Er steht in der Ecke und füllt doch den ganzen Raum.“ 

„Sie waren fasziniert davon, dass sie immer noch dabei waren, einander kennenzulernen, dass da eine dauerhafte Neugierde war, die niemals aufzuhören schien. Aber das ist jetzt lange her. Jetzt ist Schweigen der Normalzustand zwischen ihnen.“ 

„Wieder verstummt sie vor seinem Zorn, der sich vor ihr auftürmt. Zunächst beruhigt er sich wieder, dann ist es, als beginne die Wut von vorn, nehme erneut an Fahrt auf, wie etwas, das sich selbst in Schwung setzt.“

„Das Land, das nicht ist, ist die andere Seite der Wirklichkeit, es ist ein Ort für Träume – es ist die Summe all dessen, was hätte passieren können, aber nie passiert ist. Und für mich ist das Land, das nicht ist, oft ein schönerer Ort gewesen als die Wirklichkeit.“ 

„Man muss versuchen, das Leben mit Dingen zu füllen, die einen zufrieden machen, und manchmal kann man vielleicht auch nach Höherem streben und versuchen, glücklich zu werden und die Dinge, die einen glücklich machen, nicht auf die andere Seite hinübergleiten lassen. Sobald man das Gefühl hat, das Land, das nicht ist, sei verlockender als das Land, in dem man ist, ist man übel dran. Aber vielleicht ist in dieser seltsamen Phase meines Lebens, in der ich Licht in die Finsternis gebracht habe, etwas mit mir geschehen. Eine Einsicht, die viel ausmachen könnte: Ich tappe nicht länger im Dunkeln. Ich weiß, welche Aufgabe ich vor mir habe. Und ich stecke nicht fest, ich bin in Bewegung.“

 „Cider with Rosie“ von Laurie Lee

Ein Klassiker, in dem der Autor seine Kindheit in einem abgeschiedenen Dorf in den 1920ern nacherzählt. Ich finde es sehr niedlich und bildlich geschrieben und habe es gelesen, weil ich es interessant finde, wie anders und ‚einfach‘ das Leben Anfang des 20. Jahrhunderts in abgeschiedenen Gegenden noch war. Es ist wie ein Eintauchen in eine andere, „unschuldige“ Welt, die noch gar nicht so lange zurückliegt.

Buchempfehlungen 2023

Zitate:

„Flowers from the garden, dasies from the bank, cowparsley, grasses, ferns, and leaves – they flowed in armfuls through the cottage door untill its dim interior seemed entirely possessed by the world outside – a still green pool flooding with honeyed tides of summer.“ 

„The lentils were cooked in a great pot which also heated the water for the Saturday-night baths. Our small wood-fire could heat sufficient water to fill one bath only, and this we shared in turn. Being the youngest but one, my water was always the dirtiest but one, and the implications of this privilege remain with me to this day.“ 

„And I was sure it was the end of the world. All my life was the war, and the war was the world. Now the war was over. So the end of the world was come. It made no other sense to me.“ 

„Winter came with a dark, hungry sadness, and the village filled up with unknown men who stood around in their braces and khaki pants, smoking short pipes  scratching their arms, and gazing in silence at the gardens.“

„Gone for ever were the infant excuses, the sanctuary of lisping charms. Now I was alone and unprotected, faced by a struggle which required new techniques,  where one made pacts and split them, made friends and betrayed them, and fought for one’s place near the stove.“ 

Buchempfehlungen 2023

„There were also six tables of different sizes, some armchairs gapingly stuffed, boxes, stools, and unravelling baskets, books and papers on every chair, a sofa for cats, a harmonium for coats, and a piano for dust and photographs.“ 

„Long tongues of shadows licked the curves of  the fields and the trees turned plump and still.“ 

„Warned by the dog and some hooting owls, I could sense the night valley emptying, stretching in mists of stars and water, growing slowly more secret and late. The kitchen, warm and murmuring now, vibrated with rosy darkness. My pencil began to wander on the page, my eyes to cloud and clear. I thought I’d stretch myself on the sofa – for a while, for a short while only.“

 „The weather outside had suddenly hardened into a blizzard of cutting snow; the night shut down to the blinding cold and the village curled up in its sheets.“

„Grief or madness were not so private, though they were kept within the village, playing themselves out before our eyes to the accompainment of lowered voices.“ 

„His later scorns were stripped away and the adored was again adoring. She’d smile and look up the weed-choked path as though she saw him coming back for more.“

„Wherever she got it from, God knows – or how she managed to preserve it. But she loved this world and saw it fresh with hopes that never clouded. She was an artist, a light-giver, and an original, and she never for a moment knew it…“

„She would never control or clear this ground, merely cherish whatever was there; and she was as impartial in her encouragement to all that grew as a spell of sweet sunny weather. She would force nothing, graft nothing, nor set things in rows; she welcomed self-seeders, let each have its head.“

„It was a world of glass, sparkling and motionless. Vapours had frozen all over the trees and transformed them into confections of sugar. Everything was rigid, locked-up and sealed, and when we breathed the air it smelt like needles and stabbed our nostrils and made us sneeze.“ 

„The church clock had stopped and the weather-cock was frozen, so that both time and the winds were stilled; and nothing, we thought, could be more exciting than this; interference by a hand unknown, the winter’s No to routine and laws – sinister,  awesome, welcome.  Outdoors, one scarcely knew what had happened or remembered any other time. There had never been rain, or frost, or cloud; it has always been like this.“ 

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2 Gedanken zu „Buchempfehlungen: mein Lesejahr 2023 (Teil I)

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